Was sollte ich in Hamburg gesehen haben? Welche Hamburg Sehenswürdigkeiten und Geheimtipps empfiehlt ein gebürtiger Hamburger? Was hat er selbst erst bei einer geführten Hamburg Fahrradtour kennengelernt?
Wir haben nachgefragt bei Klaus Schneider, einem der Blogger von Baja Bikes. Er ist in Hamburg geboren und lebt seit über 40 Jahren in und um Hamburg, sein Leben lang, mit Ausnahme von ein paar Jahren in Süddeutschland sowie in Berlin. Der muss es eigentlich wissen:
Baja Bikes: Was muss man in Hamburg gesehen haben, Klaus?
So viel! 2-3 Tage Hamburg-Tour sind Minimum, und dabei sollte man am besten viele Highlights auf einmal sehen! Ich könnte über Hamburg reden, bis der Arzt kommt. Ok, aber wenn ich mich entscheiden muss, was sollte ich in Hamburg gesehen haben? Was sind die Hamburg Top Sehenswürdigkeiten, die du empfiehlst, und welche Geheimtipps verrätst du uns?
Index
Hamburger Hafen und Elbe
Immer noch das wirtschaftliche und maritime Herz der Freien und Hansestadt Hamburg! Auch, wenn es nicht nur Hamburger „Pfeffersäcke“ (wohlhabende Kaufleute) wurmt, das Hamburg nicht mehr Europas zweitgrößter Hafen ist… Antwerpen hat Hamburg von Platz zwei auf Platz drei verdrängt. Auf Platz eins ist und bleibt Rotterdam.
Aber riesige Containerpötte kommen immer noch die über 100 Kilometer von der Nordsee die Elbe nach Hamburg hinaufgefahren. Dafür wird die Elbe dauernd tiefer gebaggert. Auch Kreuzfahrtschiffe kommen zahlreich, nicht nur zu der Schiffsparade Cruise Days.
Ein regelrechter Star ist der Transatlantik-Liner Queen Mary 2. Das 345 lange Passagierschiff mit dem fast nostalgischen Aussehen kommt oft nach Hamburg.
Jedes Mal ist es ein großes Spektakel, wenn die “QM2” von tausenden Einheimischen und Touristen am Elbufer und von Begleitbooten begrüßt und verabschiedet wird. Besonders stolz waren wir Hamburger, als die Queen im Dock der Traditionswerft Blohm & Voss instandgesetzt wurde.
Bei einer Hafenrundfahrt kommst du ganz dicht an die großen Schiffe heran, die in Hamburg festmachen. Das lohnt sich. Einige über 300 Meter lange Containerriesen siehst du bei fast jeder Hafenrundfahrt.
Aber aufpassen: Der Guide auf den Barkassen, der „tüdelt“ gerne mal, übertreibt oder flunkert. Deshalb wird er auch „He lücht“ („Er lügt“) genannt… Tipp: Eine Hafenrundfahrt mit einer kleinen Barkasse wählen, die auch in die Kanäle der historischen Speicherstadt und in die benachbarte, moderne Hafencity führt.
Wie kann ich an Land durch Hamburg fahren und viel sehen?
Touristenbusse brauchst du nach meinem Geschmack nicht: Du kannst auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad den Hafen erkunden: Erstmal gibt es an Landungsbrücken, in der Hafencity, in Övelgönne und in den alten Hafenbecken viele Kultur- und Museumsschiffe.
Ob das Segelschiff Rickmer Rickmers und der Stückgutfrachter Cap San Diego, der Schwan des Südatlantiks, oder das Museums-U-Boot “U-434” sowjetischer Bauart an den St. Pauli Landungsbrücken, ob Feuerschiff inklusive Jazzkneipe nah der Überseebrücke, schwimmende Flussschifferkirche oder Theaterschiff in der Nähe der Speicherstadt… Es gibt viel zu gucken!
Oder die Viermastbark Peking, Wahrzeichen des neuen Deutschen Hafenmuseums…
Ebenfalls sehenswert: Das Auswanderermuseum in der BallinStadt auf der Veddel. Millionen Europäer sind von Hamburg aus nach Amerika ausgewandert. Das Museum informiert auf spannende Art und Weise über die oft abenteuerlichen oder beschwerlichen Überfahrten. Aber auch Beweggründe, Geschichte und mehr von anderen Wanderungsbewegungen werden anschaulich beleuchtet, von der Völkerwanderung bis zu heutigen Migrationsbewegungen.
Mein Tipp: Mit dem Fahrrad durch den alten Elbtunnel. Von St. Pauli hinüber auf die anderen Elbseite. Stahlaufzüge wie in alten Filmen und ein 427 langer Tunnel, wie im Krimi.
Lohnt sich, und von drüben hast du eine tolle Aussicht auf
- Altona
- St. Pauli-Landungsbrücken, Michel (Michaeliskirche, Wahrzeichen Hamburgs)
- St. Nikolai-Kirchturm (im Krieg zerbombt, heute Mahnmal gegen den Krieg)
- Das neue Wahrzeichen, die Elbphilharmonie, am Eingang der Hafencity und der Speicherstadt, des größten zusammenhängenden historischen Lagerhauskomplexes der Welt
Elphi, die Elbphilharmonie und Michel, neues und altes Wahrzeichen
Hockt da für fast eine Milliarde Baukosten auf einem alten Speicher am Eingang der supermodernen Hafencity. Erst umstritten, vor allem wegne der explodierenden Kosten und ewiger Bauzeit. Aber jetzt ist sie fertig, und wir Hamburger sind fast alle stolz drauf.
Obwohl der Bau so teuer war: Der Zugang zur 37 Meter hohen, 360 Grad-Aussichtsplattform Plaza ist noch umsonst. Der Ausblick ist unvergesslich. Eine megalange Rolltreppe führt hinauf, schon ein Erlebnis für sich. Das Gratis-Ticket sollte vorher reserviert werden, auf der offiziellen Seite der Elbphilharmonie Plaza hier.
Auch einen tollen Ausblick hast du vom Kirchturm der St. Michaeliskirche, der 132 Meter hoch über Hamburg ragt. Der “Michel” ist das alte und immerjunge Wahrzeichen der Stadt, zweimal abgebrannt, immer wieder aufgebaut.
Und danach: lecker frischen Fisch und mehr essen, im schmucken Portugiesenviertel, zwischen Michel und Landungsbrücken. Da reihen sich portugiesische, spanische und italienische Restaurants mit Terrassen aneinander. Im Portugiesenviertel wirkt Hamburg auf einmal richtig mediterran, sogar bei mäßigem Wetter kannst du draußen sitzen! Hier findest du auch Kunstgewerbeläden oder sogar Schiffsausrüster, in denen du besondere, kitschfreie Hamburg-Souvenirs kaufen kannst.
St. Pauli
St. Pauli gehört dazu. Nicht nur wegen der Reeperbahn, der „sündigsten Meile der Welt“, und der anrüchigen, nur für Männer zugänglichen Herbertstraße, der Großen Freiheit und dem Hans-Albers-Platz.
Sondern auch mit weiteren Nebenstraßen mit Clubs, Kultkneipen wie Silbersack, Elbschloss-Keller, Miller & Co. Daneben das Millerntor-Stadion, wo der FC St. Pauli, der vielleicht beliebteste Zweitligaclub der Welt, spielt.
Die Totenkopf-Fahne kennt jeder. Und dreimal im Jahr ist neben dem St. Pauli-Stadion der Dom, der Mega-Jahrmarkt.
Auf St. Pauli schlägt auch das Herz der Musikstadt Hamburg.
Die Beatles, die Pilzköpfe aus Liverpool, kamen hier im Hamburger Starclub an der Großen Freiheit groß raus. Der steht nicht mehr, aber das Beatles-Denkmal erinnert daran. Und Ende September steigt jedes Jahr das Reeperbahn Festival, das größte Clubfestival der Welt. Dann treten Bands und Solokünstler in über 90 Clubs und anderen Spielstätten auf St. Pauli auf. Aber auch unterm Jahr findest du in St. Paulis Kneipen und Club ohne Ende (Live-)Musik, von Schlager, Elektro, HipHop über Songwriter bis zu Rock und Metal.
Alster
Innenalster: schick, mit Lombardsbrücke, Hapag Lloyd Hauptgebäude, Edelhotel Vier Jahreszeiten und der Alsterfontäne. Hier macht Hamburg einen auf Genf.
Am Jungfernstieg kannst du richtig gut shoppen, in Apple Store und Alsterhaus (ähnlich nobel wie das Berliner KaDeWe), wie auch in der Europapassage oder am Neuen Wall. Und es sind nur wenige Schritte zum Hamburger Rathaus und zur Einkaufsmeile Mönckebergstraße.
Und die Außenalster solltest du dir auch ansehen, man kann die 7,5 Kilometer gut herumradeln, fast immer direkt am Wasser. Du siehst Mega-Villen, Hotel Atlantic (hier wurden Szenen eines James Bond Films gedreht und Udo Lindenberg wohnt hier) und traumhafte Parkanlagen. Rund um die Alster gibt es viele Segelschulen, Tretboot- und Kanuverleiher, Terrassencafés wie das Alster Cliff oder die Alsterperle am Schwanenwik.
Einmal herum zu joggen, das ist auch Kult. Plane, wenn du aus der Innenstadt kommst, auf jeden Fall eine Pause an der Krugkoppelbrücke ein (das ist etwa die Hälfte der Alster-Umrundung). Von hier aus kannst du den Blick auf die Außenalster und die Innenstadt genießen.
Gewusst, was es mit den Hamburger Alsterschwänen und dem Alsterwasser auf sich hat?
Die stolzen Hamburger Alsterschwäne sind Kult in Hamburg, sie werden gehegt und gepflegt. Es gibt sogar einen Betreuer, den “Schwanenvater”, und ein komfortables Winterquartier. Komme ihnen mit SUP, Paddel- oder Tretboot nicht so nah, sonst können sie schon mal fauchend und flügelstrotzend auf Attacke gehen! Wenn sie die niedlichen Küken, die noch flauschig-grau statt strahlend-weiß sind, hinter sich in Reih’ und Glied versammeln, verstehen die (übrigens monogam lebenden) Schwaneneltern keinen Spaß!
Eigentlich ist die Alster ein 56 Kilometer langer, idyllischer und nur ein paar Meter breiter Nebenfluss der Elbe. Aber mitten in Hamburg haben die reichen Hamburger Kaufleute die Alster zum Stadtsee aufstauen lassen. Deshalb haben wir einen See mitten in der City. Die Hamburger lieben die Elbe und Alster so sehr, dass Radler hier Alsterwasser heißt.
Blankenese – sieht fast aus wie am Gardasee
Das glauben viele nicht: Hamburg hat auch Berge. Zumindest einen fast 90 Meter hohen, oft dicht bewaldeten oder bebauten Geesthang. Der fällt im feinen Hamburg-Blankenese steil zum breiten Elbstrom hin ab.
Die Elbe ist zwar nicht ganz so blau wie der Gardasee, sondern meistens braun. Denn Flut und Ebbe schicken das arme Wasser aus der Nordsee ja ständig die Unterelbe rauf und runter. Das wirbelt Sand und Schlick auf.
Am Elbhang, besonders im verwinkelten Blankeneser Treppenviertel, finden sich schicke alte Häuschen, viele mit norddeutsch-maritimem oder gar mediterranem Charme. Und auf dem schicken Süllberg gibt es sogar eine „Almhütte“! Schließlich lieben die Hamburger vom platten Land auch die Berge.
Echt wahr: Nur das Bundesland Hamburg hat in Deutschland, lange vor Ostern, im März 2 Wochen Schulferien. Die so genannten „Hamburger Skiferien“. Viele sagen, diese Ferien gäbe es nur, weil die reichen Hamburger aus den Elbvororten, Eppendorf, den Walddörfern & Co. dann Skifahren gehen wollen… Besonders die Schweizer und österreichischen Wintersportorte kennen die Hamburger Skiferien. Die sind gut fürs Geschäft, und es gibt in den Alpen sogar eine „Hamburger Alm“.
Entlang der Elbe: Teufelsbrück, Airbus, Blankenese, Elbchaussee
Mein Tipp: Mit dem Fahrrad von St. Pauli immer an der Elbe abwärts, rund eine halbe Stunde nach Blankenese. Dazwischen Stopp im Café auf dem Ponton in Teufelsbrück (Dübelsbrück)… oder ein paar hundert Meter weiter, am breiten Sandstrand, in der Kultstrandbar “Strandperle”. Barfuß im Sand, beim Kaffee oder Flaschenbier, Containerschiffe dicht vorbeiziehen sehen und über die Elbe gucken, zum Airbus-Werk Finkenwerder.
Was viele überrascht auf dem Weg von den Hamburger Landungsbrücken und Altona nach Blankenese: Hamburg ist nicht nur Hafenstadt, sondern auch zweitgrößter Flugzeugbau-Standort in Europa. In Finkenwerder starten oft nagelneue Flugzeuge oder die dicken „Beluga“-Transporter. Die pendeln zwischen den Airbus-Werken Hamburg und Toulouse und transportieren halbe Airbus-Rümpfe.
Das ist fast wie im Tierreich bei der Hummel – kaum vorstellbar, dass diese “dicken” Ungetüme fliegen können… Du kannst oft ein Beluga Transportflugzeug oder auch nagelneue Airbus-Passagierjets tief über die Elbe einschweben sehen.
Kurios: Der Pilot einer Charterfluggesellschaft hat einst den Airbus-Werksflughafen mit dem rund 15 Kilometer entfernten Verkehrsflughafen Hamburg-Fuhlsbüttel verwechselt. Passiert…
Wer von Blankenese noch rund eine halbe Stunde weiter elbabwärts radeln möchte, fährt weiter auf dem Elberadweg am Falkensteiner Ufer vorbei (cooler Campingplatz im Strandsand) bis nach Willkommhöft im holsteinischen Wedel-Schulau. Hier, an dem großen Gasthaus mit Biergarten, steht ein Unikum:
Weltweit wohl einmalig: Die Schiffsbegrüßungsanlage Willkommhöft
Wenn ein großes Schiff nach Hamburg einfährt, ertönt die Nationalhymne des Herkunftslandes aus Lautsprechern über die Elbe. Zudem werden Schiffsname, Tonnage und weitere Infos angesagt. Beim Auslaufen werden große Pötte vom Hamburg Kultsong “Junge, komm’ bald wieder” begleitet. Pensionierte Kapitäne bedienen die Anlage seit Jahrzehnten in dem Gasthaus. Du kannst ihnen bei der Arbeit zusehen.
Von Wedel oder Blankenese kannst du bequem mit der S-Bahn-Linie S1 inklusive Fahrrad zurück nach Altona, zu den Landungsbrücken oder in die Innenstadt fahren.
Oder du radelst von Blankenese in die City zurück. Dann kannst du durch den nach englischen Gartenidealen angelegten Jenischpark radeln, die noble Elbchaussee entlang. Hier stehen Dutzende imposanter Villen reicher Hanseaten hinter ebenso imposanten Rhododendron-Gebirgen.
Viele Villen an der Elbchaussee wirken wie (Elb-)Schlösschen oder britische Landsitze. Der Internationale Seegerichtshof residiert auch hier, und das altehrwürdige Hotel und Elblokal “Jacob” wurde schon vom impressionistischen Meistermaler Liebermann verewigt.
Was ist für dich die meistunterschätzte Sehenswürdigkeit in Hamburg?
Das Miniatur-Wunderland in der Speicherstadt, einfach mit dem Rad erreichbar. Kein Geheimtipp, aber trotzdem gehen viele nicht hin, weil sie denken, es gehe dort nur um Modelleisenbahnen… Da verpassen sie was! Die größte Modelleisenbahn-Anlage und Miniaturwelt der Welt. Einmalig. Auch, wenn man kein Modellbahn-Fan ist: hingehen.
Es gibt nicht nur Mega-Modellbahnen, sondern auch, alles im Miniaturformat: Hamburg, Fußballstadion, Mauerbau, Mauerfall, Italien, Amerika und viele weitere Länder, Städte, Landschaften, historische Szenen und unzähliges mehr. Alles in ganz klein, liebevoll nachgebaut! Auch faszinierend: Regelmäßig wird Tag und Nacht, ein Lichterzauber! Und wer genau hinschaut, entdeckt auch mal Mini-Figuren, die allzu menschlichen Bedürfnissen nachgehen…
Das Miniatur-Wunderland ist mit fast 1,5 Millionen Besuchern pro Jahr zu einer der meistbesuchten Sehenswürdigkeit Deutschlands geworden. So beliebt, dass du unbedingt vorher Karten reservieren solltest.
Das Miniatur-Wunderland ist sogar die beliebteste Sehenswürdigkeit in Deutschland
Die Deutsche Zentrale für Tourismus hat in einer Online-Umfrage etwa 15.000 Teilnehmende befragt. Ergebnis: 2022 wurde das Miniatur-Wunderland Hamburg zur beliebtesten Sehenswürdigkeit Deutschlands gewählt, wie das Hamburger Abendblatt am 29. März 2023 berichtet. Zur beliebtesten Sehenswürdigkeit wurde das Miniatur-Wunderland nicht zum ersten Mal, sondern bereits im fünften Jahr in Folge!
Von Sehenswürdigkeiten zu Hamburg-Klischees:
Was sind Klischees für Hamburg oder Hamburger?
Man sagt ja, Hamburger seien norddeutsch-reserviert, werden dafür aber nach 20-30 Treffen und kultivierten Gesprächen zu lebenslangen Freunden. Das halte ich für Unsinn und für ein Klischee. Ein anderes Klischee ist, dass es hier immer regnet, wie in England. Das stimmt leider wegen des Klimawandels auch nicht (mehr)…
Was gefällt dir an Hamburg gar nicht?
Manchmal sind wir in Hamburg leicht überheblich, oder, netter gesagt, ein wenig selbstverliebt. In Lotto King Karls HSV-Hymne „Hamburg, meine Perle“, die im Volksparkstadion wirklich für echte Gänsehaut sorgt, werden immer noch singend Bayern und Dortmund besiegt. Ok, geschenkt, Fußballherz. Außerdem: Der HSV war in den frühen 1980ern ja auch wirklich auf Augenhöhe mit Bayern, war Deutscher Meister und Europapokalsieger der Landesmeister.
Aber was mich echt nervt: Ein beliebter Hamburger Radiosender erzählt x-mal täglich, dass Hamburg „die schönste Stadt der Welt“ sei. Ok, das stimmt zwar… Aber man muss es ja nicht dauernd sagen. Schließlich gilt die Freie und Hansestadt Hamburg auch als anglophil und very British, und da zählt vornehmes Understatement.
Tipps für Radtouren in Hamburg
Ist Hamburg eine Fahrradstadt?
Ich sach mal: Es wird. Unser Stadtbild ähnelt zwar ein bisschen dem von Kopenhagen, aber fahrradmäßig sind wir noch nicht so weit. Aber immerhin, es gibt immer mehr Radtrassen, Radfahrer-Ampeln, Leihsysteme, Mieträder und Stadtrundfahrten per Rad.
Und wir haben einen Verkehrssenator, der mit dem Fahrrad zu Terminen fährt und den Umbau zur fahrradfreundlichen Stadt massiv befördert. Das merkt man. Vor 20 Jahren bin ich von Hamburg-Eimsbüttel nach Hamburg-Pöseldorf mit dem Auto gefahren (4 Kilometer). Heute würde ich mich trauen, das Fahrrad zu nehmen.
Im Sommer 2022 habe ich eine Baja Bikes Hamburg Fahrradtour mitgemacht. Ging in St. Pauli los, da haben wir die Mieträder bekommen und die Stadtführerin getroffen. Um die Ecke beim Bernard-Nocht-(Tropen-)Institut, ungefähr da, wo die alte Bavaria St. Pauli (Astra) Brauerei war.
Bei der Tour war ich überrascht, wie gut man inzwischen durch halb Hamburg radeln kann:
Von St. Pauli durch den Kultpark Planten un Blomen, durch Uni-Viertel und Harvestehude zur Alster, in die Innenstadt zu Jungfernstieg und Rathaus, weiter durch die althamburgische Deichstraße zur Elphi in der Hamburger Hafencity. Und zurück an Überseebrücke und Landungsbrücken, immer an der Elbe entlang. Das war ein Erlebnis, in 2,5 Stunden ganz schön viel gesehen.
Bei der geführten Radtour durch Hamburg war ich echt überrascht, was ich als Fast-schon-immer-Hamburger alles noch gar nicht kannte. Oder über Top-Sehenswürdigkeiten noch nicht wusste.
Man denkt ja immer, der Guide kann mir doch nichts erzählen über meine Heimatstadt. Hier nur drei Beispiele, was ich erst jetzt (nach über 40 Lebensjahren in und um die Hansestadt) auf der geführten Hamburg Fahrradtour erfahren habe:
- Zum Beispiel, dass der Kellereingang des alten, angesagten Mojo Clubs am Anfang der Reeperbahn beim Neubau der „Tanzenden Türme“-Hochhäuser erhalten wurde
- oder die Bedeutung der farbenprächtigen Wappen an der reich verzierten Hamburger Rathausfassade und die politischen Bräuche der Hansestadt, vor denen sich auch mächtige internationale Staatsgäste beugen müssen
- oder eine skurrile Pudelstatue auf einem schicken Kaufmannshaus in der City, die ein reicher Hamburger seiner geliebten, gelockten Herzensdame gewidmet hat.
Was hat Hamburg für Fahrradfahrer, was andere nicht haben?
Digga, KOSTENLOSE Mitnahme des Fahrrads in der Hamburger U- und S-Bahn! Nur nicht im Berufsverkehr von 6-9 und 16-18 Uhr, sonst immer. Ich habe mich so daran gewöhnt, mein Fahrrad mitzunehmen, dass ich in der Münchner S-Bahn mal Strafgebühr zahlen musste. Weil ich für mein Fahrrad kein Ticket gelöst hatte…
Wo gehst du in Hamburg auf Piste?
Als ich jung war (oder wenn wir jetzt einen auf jung machen wollen): Schanze, Karo-Viertel, St. Pauli, Altona-Ottensen, etwas gediegener auch mal in Eimsbüttel, Eppendorf oder Winterhude. Oder mit Retrohemd und Blümchen zum alljährlichen Schlagermove, der Schlager-Antwort auf die Love Parade.
Dann durchfeiern bis zum Fischmarkt am Sonntagmorgen. Da das letzte Astra aus der Buddel trinken, Fischbrötchen essen, und Aale-Dieter und den anderen Marktschreiern zuhören. Ist zwar viel Touristenkram, aber trotzdem lustig.
Jetzt, im gesetzten Alter, zieht es mich meistens an den Strand, zum Beispiel in die Strandperle (s.o.).
Übrigens bin ich ernsthaft stolz, dass Hamburg seit dem Musical- u.a. Boom der 80er/90er immer mehr zum Städtereiseziel geworden ist.
Für Touristen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, aus Holland, England, Skandinavien, Italien, Spanien, Polen, auch aus fast der ganzen Welt. Hast du gewusst, das zu Zweitliga-Spielen vom FC St. Pauli teils Fanclubs aus Schottland und Argentinien anreisen?
Kannst du noch Hamburger Plattdeutsch sprechen?
Nein, leider nicht. Ich glaube, das Hamburger Platt als eigene Sprache, das ist im innerstädtischen Hamburg kurz vorm Aussterben. Zudem gibt es ja sehr viele zugereiste Neu-Hamburger. Die Boom-Stadt steuert ja fast auf die 2 Millionen Einwohner zu.
Auf den Dörfern rund um Hamburgs Kern, zum Beispiel in Holstein, in den Vierlanden oder in dem riesigen Obstbaugebiet, dem Alten Land, sprechen viele (meist ältere) Leute noch Plattdütsch.
Ich kann es zwar zu 90 % verstehen. Aber ich kann es nicht schnacken. Anders als mein Schwiegervater, kann ich auch nicht heraushören, ob ein Plattschnacker Platt als Muttersprache, noch vor Hochdeutsch, gelernt hat. Oder ob er aus Hamburg-Barmbek, Jork, „Finkenwarder“, aus Pinneberg, Tangstedt oder aus dem Nachbardorf kommt.
Aber dafür hab‘ ich, wie hunderttausend andere, den Hamburger Schnack drauf, die Stimmfärbung. Schön breit. Wenn du in München oder Stuttgart bist, erkennen viele Leute das, wenn du „so’n büschen Hamburgisch schnacken tust.“ Hab ich, ehrlich gesagt, manchmal extra gemacht.
Viele Menschen aus ganz Deutschland fahren gern mal zu einem der vielen Musicals, zur Elphi, ins Miniatur-Wunderland, in Hagenbecks Tierpark, zum Shoppen, zur Alster- oder Hafenrundfahrt, zum Rathaus und vielem mehr nach Hamburg. Deshalb bist du eigentlich in fast ganz Deutschland gern gesehen, wenn du dich durch deinen Schnack als Hamburger outest.
Viele Süddeutsche gucken auch gerne „Großstadtrevier“, die Hamburger Kult-Polizeiserie und „Neues aus Büttenwarder“, das „op’n Dörp“ am Stadtrand spielt. Beide mit dem (jüngst leider verstorbenen) Ur-Hamburger Jan Fedder. Der hatte als Wachtmeister Jan Matthies beziehungsweise Bauer Brakelmann den echten Hamburger Slang drauf, ohne peinlich zu wirken.
Genau wie Helmut Schmidt, Bundeskanzler von 1974-1982, Kettenraucher und, als unbürokratisch agierender Hamburger Innensenator, Held bei der schrecklichen Sturmflut 1962.
Schmidt konnte auch noch schön hamburgisch „übern SPitzen STein STolpern“ (also nicht „SCHtein“ ausgesprochen, sondern spitz: „Sssstein“). Das hatte man unserer Generation schon in der Grundschule abgewöhnt.
Geheimtipp für Hamburg: Ein Reihenhaus als 2. Regierungssitz…
Helmut Schmidt „Schnauze“ lebte mit seiner Frau Loki bis zu seinem Tode bescheiden in einem total normalen Hamburger Vorort – im Neubergerweg 80 in Hamburg-Langenhorn. In der Nähe des Flughafens Hamburg-Fuhlsbüttel (der jüngst nach ihm benannt wurde). Neben dem Kanzlerbungalow in Bonn galt das unscheinbare Reihenhaus in Hamburg zu Schmidts Kanzlerzeiten als inoffizieller zweiter Regierungssitz.
Helmt Schmidt empfing hier US-Außenminister Kissinger, den französichen und sowjetischen Regierungschef und viele weitere Staatsmänner. Darüber hinaus war Schmidt auch ein großer Kunst-, Literatur- und Musikfreund. Seine Frau Loki engagierte sich stark für den Naturschutz.
Die Helmut-Schmidt-Stiftung bietet in Schmidts einstigem Reihenhaus heute Führungen an (vorher buchen!). Dann einfach mit dem Fahrrad hinfahren: U-Bahn-Linie U1 Richtung Ochsenzoll/Norderstedt-Mitte, Langenhorn-Markt oder -Nord aussteigen, dann 5 Minuten mit dem Rad.
Noch n Kult-Hamburger mit schön breitem Hamburger Schnack war „Uns Uwe“. Uwe Seeler, Jahrhundertfußballer des HSV, lebte in Norderstedt, nicht weit von Helmut Schmidt. Sein Fußballer-Fuß wurde als überlebensgroße Statue in Hamburg-Stellingen, am Volksparkstadion, verewigt! Hinfahren, Digga!
Was bedeutet „Digga“?
Sorry, dafür bin ich eigentlich zu alt. So sprechen sich Rapper und andere Hamburger Jungs an, ist etwa so wie „Alter“, „ey, Alder“, „Bruder“, „Bro“, „Sis“ oder so…
Fazit: Was muss man in Hamburg gesehen haben?
- Elbphilharmonie – Plaza kostenlose Aussichtsplattform, kostenlos, aber Tickets reservieren
- Miniatur Wunderland – kleine Welt, ganz groß. Vorher reservieren!
- St. Pauli Landungsbrücken – am besten mit Hafenrundfahrt
- Michel – Hauptkirche St. Michaelis, das Wahrzeichen Hamburgs
- Alster (schick) oder Kiez (Reeperbahn, verrucht und Party…)
- Noch mehr Tipps in Kurzform was man in Hamburg gemacht haben sollte: hier
Danke für die Tipps und das Interview!
„Da nich‘ für“.
Wie bitte?
Das „sacht man so in Hamburch“, wenn man „bitte“ sagen will. Tschüs!